BA: Herr Koch, eigentlich sollten Dieselfahrer bezüglich der Umweltbilanz ein gutes Gewissen haben. Jetzt werden sie mit der blauen Plakette an den Pranger gestellt. Ist das der richtige Weg?
TK: Ein Diesel der modernsten Generation ist der ökologisch beste Antrieb. Er ist die beste Kompromisslösung aus allen Emissionsbeiträgen. Entgegen den gebetsmühlenartigen Falschaussagen der Politik ist die Partikelkonzentration, also der Feinstaub, in den gefilterten Abgasen eines Diesels geringer als in der Umgebungsluft in den Städten. Wir wissen, dass die größten Feinstaubbeitragsleister Kaminöfen, andere Feuerungseinrichtungen oder Industrieanlagen sind, aber auch der Straßenverkehr durch Reifenabrieb, Fahrbahnabrieb oder Bremstaub. Hinzu kommen landwirtschaftliche Einflüsse oder Salzablagerungen auf den Straßen. Müssen wir Menschen, die ein zwei Jahre altes Auto haben, tatsächlich enteignen? Ich kann das nicht verstehen.
BA: Aber gibt es nicht auch die Stickoxidthematik?
TK: Richtig ist, dass aktuell circa zwei Drittel der NO2 Belastung noch durch Verbrennungsmotoren und vor allem Diesel verursacht wird. Der NO2 Grenzwert, den die EU festgelegt hat, liegt bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter. Jeder erwachsene Mensch in Deutschland kann 42 Stunden einer maximalen Arbeitsplatzkonzentration von 950 Mikrogramm pro Kubikmeter ausgesetzt sein. Da Kinder und ältere Menschen sowie Wechselwirkungen mit anderen Belastungen berücksichtigt werden müssen, ist der Jahresmittelwert mit 40 Mikrogramm pro Kubikmeter definiert worden. Der Jahresmittelwert am Neckartor in Stuttgart beträgt noch 88 – gleichzeitig verbessern sich die NO2-Werte bereits deutlich in den letzten 10 Jahren durch moderne Fahrzeuge. Der PKW- Diesel steuert heute 26 bei, 35 kommt vom Hintergrund, z.B. durch umliegende Kraftwerken. Der Beitrag schwerer Nutzfahrzeuge ist heute 16. Wenn sie jedem, der am Stuttgarter Neckartor vorbeifährt, ein modernes Auto geben, liegt der Beitrag des PKW-Diesels bei ca. 3 Mikrogramm pro Kubikmeter! Die Verhältnismäßigkeit der Diskussion ist nicht gegeben.
BA: Ist die Einführung der blauen Plakette dann nicht sinnvoll?
TK: Es ist eine mühsame Diskussion. Den Schwarzen Peter haben in der Tat die Kommunen. Ich plädiere mit Ruhe an die Sache heranzugehen. Die Luft wird seit Jahren kontinuierlich besser. Eine blaue Plakette würde das natürlich beschleunigen. Aber ist das notwendig?
BA: Warum nicht?
TK: Sehen Sie, in den Gebäuden an den Straßen, beispielsweise am Neckartor, liegen die NO2-Werte nochmals um zwei Drittel niedriger! Die Messstation misst direkt unmittelbar an der Straße. Die letzte Herausforderung ist nun, dass auch die Fahrradkuriere und Jogger genau an diesem Ort eine noch saubere Luft erhalten. In Madrid wird beispielsweise nicht direkt an der Straße gemessen, sondern ca. 20 Meter entfernt. Wenn wir das auch machen würden, wären viele Messstationen ohne Auffälligkeiten. Die blaue Plakette würde auch ein Verbot von heute ein Jahr alten EURO5 Diesel Fahrzeugen bedeuten.
BA: Was wäre aus ihrer Sicht eine bessere Alternative?
TK: Mein Vorschlag wäre darüber nachzudenken, ob man nicht zuerst Fahrzeuge der Euro 3- oder Euro 4-Norm verbietet. Einen alten Euro 2 oder EURO3 Bus könnte man ausrangieren. Ältere Taxis auf modernste Dieseltechnologie umzustellen, wäre ebenfalls ein interessanter Hebel. Eine tolle Maßnahme wäre eine Verkehrsverflüssigung. Die Hohenheimer Straße in Stuttgart war hoch belastet. Die Stadt hat die Parkplätze verschoben und dort einen vierspurigen Verkehr ermöglicht. Auch gute Verkehrsampelschaltungen helfen.
BA: Im Bundesrat wird diskutiert, im Jahr 2030 Verbrennungsmotoren zu verbieten. Was halten Sie davon?
TK: Vollkommen hanebüchen, sozialer Sprengstoff und ohne Mehrwert für die Umwelt. Ich rate strengstens davon ab. Langfristig macht es Sinn, den Anteil der Elektromobilität zu erhöhen, vor allem für Kurzstreckenfahrten innerorts. Das Elektromobil ist aber bei der CO2-Bilanz im Realbetrieb klar im Nachteil. Auch beim Feinstaub nützt das nichts, weil die heutigen Dieselfahrzeuge bereits sauber sind. Circa 50 Prozent des CO2 wird bei der Produktion des Elektromobils erzeugt. Da lügt sich die Politik in die Tasche.
BA: Eigentlich wird doch mit den Elektroautos etwas Positives verbunden. Warum bewerten Sie das so negativ?
TK: Weil wir einen klugen Mix aus allen Antriebsbereichen brauchen. Wir müssen andere Baustellen angehen, anstatt Ladestationen zu bauen. Der allererste Schritt wäre aus CO2-Sicht, den Stromverbrauch zu reduzieren und die Kohlekraftwerke abzuschalten. In Zukunft könnten sich sozial schwächere Menschen kein Fahrzeug mit 80 Kilowattstunden, also einer Reichweite von 300 Kilometern, leisten. Falls wir Verbrennungsmotoren verbieten, würde der Strompreis zudem massiv steigen, denn die wegbrechenden Energiesteuereinnahmen müssen natürlich kompensiert werden.
Den erschienen Beitrag finden Sie ebenfalls >hier< als pdf mit freundlicher Genehmigung der Rhein-Neckar-Zeitung.