Was muss man wissen? Wie erfolgt eine Zertifizierung?

Damit ein Personenkraftfahrzeug eine Zulassungserlaubnis bekommt, muss es einer ausführlichen Typenprüfung mit erfolgreicher Zertifizierung unterzogen werden. Um den hohen Aufwand der Zertifizierung nicht bei jedem fabrikneuen Fahrzeug erneut durchführen zu müssen, wird exemplarisch ein Fahrzeug eines Typs stellvertretend für alle Fahrzeuge diesen Typs dieser Überprüfung unterzogen.

Für eine erfolgreiche Zulassungserlaubnis im jeweiligen Land müssen das Fahrzeug sowie dessen technische Systeme und Komponenten den geltenden Regelwerken des jeweiligen Gesetzgebers entsprechen. Zu der vollständigen Zertifizierung eines Kraftfahrzeugs gehören beispielsweise Crashtests und die Kontrolle der Lichtanlagen (z.B.: Abblendlicht, Blinker und Nebelscheinwerfer). Ein besonders wichtiger Bestandteil der Typenprüfung ist die Überprüfung der Abgasemissionen, welche sich regional und länderspezifisch teilweise erheblich unterscheiden. Dabei existiert weltweit eine Vielzahl verschiedener vorgeschriebener Verfahren zur Durchführung der Abgasmessung und Bestimmung der Abgasmesswerte. Nicht nur die einzuhaltenden Grenzwerte gemessen in Menge pro gefahrener Strecke, sondern auch der Versuchsaufbau, z.B. die Art und Anordnung der zu verwendenden Messgeräte sowie die während der Messung zu fahrende Strecke mit Geschwindigkeits- und Gangvorgaben, genannt der Fahrzyklus, unterscheiden sich. Diese Unterschiede sind teilweise historisch so gewachsen, teilweise durch unterschiedliches Fahrverhalten in einzelnen Ländern bedingt. Innerhalb Europas repräsentiert bis heute der neue europäische Fahrzyklus (NEFZ) das Standardfahrprofil zur Ermittlung der Abgasemissionen sowie des Kraftstoffverbrauchs.

Der Fahrzyklus wird jedoch nicht auf der Straße, sondern auf einem Rollenprüfstand unter reproduzierbaren Bedingungen abgefahren. Er kann immer nur ein exemplarisches Beispiel für das individuelle Fahrverhalten aller Fahrer sein. Eine Veränderung der Umgebungsbedingungen oder eine Abweichung von dem Fahrzyklus hat sofort andere Abgasemissionen und einen anderen Kraftstoffverbrauch zur Folge.

 Rollenprüfstand zur Durchführung einer Abgasmessung
 Rollenprüfstand zur Durchführung einer Abgasmessung (Quelle: TÜV Hessen)

Erfüllt das Fahrzeug alle Regelwerke, d.h. liegen die Messwerte aller Zertifizierungsmessungen des Fahrzeugs innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Grenzwerte, so wird die Zertifizierung durch einen akkreditierten technischen Dienst (z.B. TÜV) ausgesprochen. In diesem Zusammenhang wird meist auch eine Homologation (Zulassung) für das entsprechende Fahrzeug erteilt. Damit wird ausgesagt, dass ein national zertifizierter Fahrzeugtyp auch in anderen Ländern ohne erneute Zertifizierung zugelassen werden kann, sofern die nationalen Regelwerke der anderen Länder nicht abweichen. Jedoch erkennt nicht jedes Land eine erteilte Homologation vollständig an. In diesem Fall müssen Teile der Zertifizierung einer erneuten nationalen Zulassungsuntersuchung unterzogen werden.

Im Vergleich zu Personenkraftwagen werden Nutzfahrzeuge und mobile Arbeitsmaschinen (z.B. Baumaschinen) nicht als Gesamtfahrzeug zertifiziert. Vor allem bei Fahrzeugen, deren Hauptaufgabe nicht das Fahren von A nach B ist, Beispiel Mähdrescher, Bagger, Pistenbully, wäre die Definition vergleichbarer Fahrzyklen nicht sinnvoll. Die hohe Typenvielfalt und die unterschiedlichen Einsatzprofile führten in diesen Bereichen zu einer Komponenten- bzw. Baugruppenzertifizierung. Die Emissionsprüfung und die Verbrauchsmessung erfolgen hier am Motorenprüfstand nur mit dem Motor und nicht mit dem Fahrzeug auf einem Rollenprüfstand. Am Motorenprüfstand werden Lastpunkte eingestellt, die für den tatsächlichen Einsatz im praktischen Betrieb repräsentativ sind. Auch hierzu existiert ein umfangreiches gesetzliches Regelwerk.
 

Quellen:
[1] BASSHUYSEN, R. van ; SCHÄFER, F.: Handbuch Verbrennungsmotor, 7. Auflage. Springer Vieweg-Verlag, Wiesbaden, 2015
[2] MOLLENHAUER, K. ; TSCHÖKE, H.: Handbuch Dieselmotoren, 3. neubearbeitete Auflage. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg, 2007

Was ist ein Fahrzyklus?

Ein Fahrzyklus beschreibt die Art und Weise, wie das Fahrzeug gemäß der Zertifizierungsvorschrift (für Europa bspw. NEFZ) bezüglich der Emissionen und dem Kraftstoffverbrauch getestet wird. Zur grundsätzlichen Beschreibung eines Fahrprofils dient die Darstellung der Fahrzeuggeschwindigkeit über der Zeit. Zusätzlich umfassen die Vorschriften zu den Zertifizierungszyklen auch  Randbedingungen, die vor bzw. während des Testlaufs überwacht und entsprechend eingehalten werden müssen. Hierzu zählen zum Beispiel die Vorgabe der Motortemperatur zu Beginn eines Fahrprofils (beim NEFZ z.B. Kaltstart bei 20°C) oder auch Vorgaben zu den Schaltbedingungen während des Fahrzyklus (bei Fahrzeugen mit Handschaltgetrieben).

In nachfolgender Abbildung sind der aktuell gültige Zertifizierungszyklus (NEFZ) und der geplante neue Fahrzyklus „World Harmonized Light Duty Vehicles Test Procedure(WLTP)“ im Vergleich aufgetragen. Es wird deutlich, dass sich der WLTP näher am realen Fahrverhalten orientiert, als dies in dem bis heute gültigen NEFZ der Fall ist. Auf diese Weise soll die Übertragbarkeit der  Zertifizierungsergebnisse auf Basis des WLTP in Bezug auf reale Emissions- und Verbrauchswerte sichergestellt werden.

Geschwindigkeitsprofil im künftigen "Weltzyklus" WLTP

Was gibt es für Emissionen?

Emissionen bei Verbrennungsmotoren lassen sich grundsätzlich in die zwei Klassen vermeidbare und unvermeidbare Emissionen einteilen. Unvermeidbare Emissionen bestehen bei entschwefeltem Kraftstoff aus Wasser (H2O)und Kohlenstoffdioxid (CO2). Unvermeidbar sind diese Emissionen insofern, als dass sie bei der vollständigen Verbrennung von Dieselkraftstoff entstehen. Sie sind die Produkte der zugrundeliegenden chemischen Reaktion.  Eine Reduktion der unvermeidbaren Emissionen ist daher nur über einen reduzierten Kraftstoffverbrauch realisierbar.

Die zweite Klasse sind die vermeidbaren Emissionen. Zu ihnen gehören Kohlenstoffmonoxid (CO), unverbrannte Kohlenwasserstoffe (HC) und Partikel (Ruß, Metallabrieb, Kondensate) sowie die jetzt durch die aktuelle Diskussion in den Fokus gerückten Stickoxide NOx. Vermeidbar bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Emissionen bei der vollständigen Verbrennung von Dieselkraftstoff mit Sauerstoff nicht entstünden. Die technischen Randbedingungen an modernen Dieselmotoren lassen eine völlige Vermeidung jedoch nicht zu.

Kohlenstoffmonoxid- und Kohlenwasserstoffemissionen entstehen bei der unvollständigen Verbrennung von Dieselkraftstoff. Da die heutigen und auch zukünftigen Grenzwerte nicht durch motorische Maßnahmen an sich eingehalten werden, müssen diese in einem Katalysator zu Wasser und Kohlenstoffdioxid oxidiert werden.

Rußemissionen entstehen beim Dieselmotor verbrennungsbedingt. Die Höhe der Emissionen ist  durch diverse Betriebsparameter innerhalb der physikalischen Grenzen veränderbar. Zur Einhaltung der Grenzwerte werden Rußpartikelfilter in der Abgasnachbehandlung eingesetzt.

Stickoxide entstehen bei der Verbrennung unter hohen Temperaturen aus den Luftbestandteilen Stickstoff und Sauerstoff. Sie lassen sich innermotorisch durch niedrigere Verbrennungsspitzentemperaturen oder mittels Abgasnachbehandlung deutlich reduzieren.

Was sind Stickoxide?

Neben den unvermeidbaren Schadstoffen Wasser und Kohlenstoffdioxid entstehen bei innermotorischen Verbrennungsvorgängen immer auch vermeidbare Schadstoffe, die in der Regel gesetzlich limitiert sind. Der dieselmotorische Prozess begünstigt durch hohe Temperaturen und Sauerstoffüberschuss (magerer Betrieb) besonders die Entstehung von Stickoxiden (NOx) aus dem in der Luft enthaltenen molekularen Stickstoff. Unter dem Begriff Stickoxide werden unterschiedliche Stoffe zusammengefasst. Diese sind im wesentlichen Stickstoffmonoxid (NO) und Stickstoffdioxid (NO2). Unter motorischen Bedingungen wird vor allem Stickstoffmonoxid gebildet. In der Atmosphäre oxidiert NO dann typischerweise innerhalb von Stunden zu NO2.

Für die Bildung der Stickoxide existieren mehrere Reaktionswege, die wissenschaftlich sehr gut untersucht sind. Die wichtigsten Mechanismen sind die thermische und die prompte Stickstoffmonoxidbildung, die nach folgenden Reaktionen ablaufen.

Thermische Stickoxidbildung (Zeldovich-Mechanismus):


Hierbei ist der erste Reaktionsschritt geschwindigkeitsbestimmend, da er erst bei ausreichend hohen Temperaturen abläuft.

Prompte Stickoxidbildung (Fenimore-Mechanismus):

Die Aktivierungsenergie für den Fenimore-Mechanismus ist deutlich geringer als für den Zeldovich-Mechanismus, so dass diese Reaktionen schon bei deutlich geringeren Temperaturen in der Flammenfront selbst unter brennstoffreichen Bedingungen ablaufen.

Bei der Auslegung von Dieselmotoren muss berücksichtigt werden, dass sich ein Zielkonflikt zwischen Stickoxidemissionen, Rußemissionen und Verbrauch ergibt. Eine motorische Reduzierung der Stickoxidemissionen führt beim Dieselmotor ohne weitere Maßnahmen typischerweise zu einem Anstieg der Rußemissionen und des Verbrauches. Durch moderne Einspritzverfahren oder Luftpfadsysteme (Einspritzdruckerhöhung, Mehrfacheinspritzung, gekühlte Abgasrückführung, …) kann dieser Zielkonflikt jedoch deutlich in Richtung niedrigerer Emissionen verschoben werden.

 

Entwicklung der Stickoxidgrenzwerte für PKW-Anwendungen in Europa
Entwicklung der Stickoxidgrenzwerte für PKW-Anwendungen in Europa

Zur Reduzierung der Belastung für den Menschen und die Umwelt  wurden die Grenzwerte für die von Fahrzeugen ausgestoßenen Emissionen in den letzten Jahren immer weiter gesenkt. Dies trifft auch auf die NOx-Emissionen zu. Vor allem die signifikante Verringerung des erlaubten Stickoxidausstoßes von Euro 5 zu Euro 6 um mehr als 50% stellte die Fahrzeughersteller vor eine große Herausforderung. Diese Grenzwerte sind durch innermotorische Maßnahmen alleine nur äußerst schwierig einzuhalten. Aus diesem Grund kommt eine Abgasnachbehandlung zur Reduzierung der Stickoxide bei modernen Dieselmotoren zum Einsatz.

Für die Bewertung der Schadstoffbelastung der Luft werden Immissionsmessungen durchgeführt. Jede Emission (also das Herausströmen des Abgases) wird zu einer Immission (ein Hineinströmen in die Atmosphäre). Die Immissionsbelastung wird kontinuierlich gemessen und hinsichtlich der Grenzwerterreichung überprüft (siehe Kapitel: Wie ist die Wirkung von Stickoxiden auf die Gesundheit?)

Wie ist die Wirkung von Stickoxiden auf die Gesundheit?

Stickoxide oder NOx ist eine Zusammenfassung verschiedener Verbindungen der Elemente Stickstoff (N) und Sauerstoff (O). Man unterscheidet in der Regel  neun verschiedene Verbindungen. Bei der Verbrennung im Motor entsteht vor allem Stickstoffmonoxid (NO) als Emission. Dieses ist instabil und oxidiert in der Atmosphäre zu Stickstoffdioxid (NO2). Auch kann in dem Oxidationskatalysator von Dieselfahrzeugen die Konvertierung von NO zu NO2 beschleunigt werden, was zu einem erhöhten NO2 Anteil im Abgas führt.

Stickstoffdioxid kann sich in größeren Konzentrationen schädlich auf Menschen und Pflanzen auswirken.

Vor allem aus den 80er Jahren ist das Phänomen des sauren Regens bekannt.  Man spricht von „saurem“ Regen, wenn der pH-Wert unter 5,6 fällt. Der normale pH-Wert sollte bei 7 liegen. Verantwortlich für den niedrigen pH-Wert sind neben Stickoxiden und Kohlendioxid vor allem auch Schwefeldioxid. All diese Stoffe entstehen bei der Verbrennung von fossilen Kraftstoffen und bilden mit Wasser entsprechende Säuren. Beispielsweise reagiert Stickstoffdioxid (NO2) mit Wasser (H2O) zu salpetriger und Salpetersäure (HNO3). Durch Maßnahmen zur Emissionsvermeidung sowohl im Verkehr als auch in stationären Feuerungsanlagen konnten diese Emissionen drastisch gesenkt werden. Saurer Regen ist heute kein Thema mehr! Insbesondere die Verwendung von sehr schwefelarmen Kraftstoffen hat hier zusätzlich geholfen.

Beim Menschen kann sich Stickstoffdioxid vor allem auf die Atemwege auswirken. In hohen Konzentrationen ist es ein rotbraunes, stechend chlorähnlich riechendes Gas. In geringen Konzentrationen wird  NO2 als Immission allerdings nicht wahrgenommen. Der in der EU zulässige Jahresmittelwert der NO2-Konzentration in der Luft liegt bei 40 µg/m3. Wird über längere Zeit Luft mit einer höheren Konzentration eingeatmet, kann die Gesundheit beeinträchtigt werden. Bei gesunden Menschen kann es zu Kopfschmerzen und leichtem Schwindel kommen. Da NO2 in den oberen Atemwegen kaum gebunden wird, dringt es tief in die Atemwege ein. Insbesondere Asthmatiker können eine Verschlechterung der Lungenfunktion verspüren, da sich eine Bronchialkonstriktion (Bronchienverengung) einstellen kann, die wiederum  zum Beispiel durch die Wirkungen von Allergenen verstärkt werden kann.

Eine Zusammenfassung medizinischer Studien findet sich beispielsweise unter folgender URL:
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/3527600418.mb1010244d0049/full

Was ist eine Abgasnachbehandlung?

Die beim Dieselmotor anspruchsvoll zu reduzierenden Schadstoffkomponenten NOx und (Ruß)- Partikel lassen sich aufgrund ihrer Bildungsmechanismen innermotorisch nicht gleichzeitig auf das in den strengen Grenzwerten geforderte Maß reduzieren. Die übrigen gesetzlich begrenzten Schadstoffe Kohlenmonoxid (CO) und nicht vollständig oxidierte Kohlenwasserstoffe (HC) sind als wesentlich unkritischer anzusehen, da sich ihre Rohemission beim Dieselmotor auf einem sehr niedrigen Niveau befindet und durch einfache Abgasnachbehandlungssysteme wie Oxidationskatalysatoren weiter reduzieren lassen. Maßnahmen, die innermotorisch die Entstehung  einer der beiden kritischen Komponenten (NOx und Partikel) reduzieren, erhöhen mehr oder weniger stark die Bildung der jeweils anderen Schadstoffkomponente. Dies hat zur Folge, dass mindestens ein Schadstoff durch ein geeignetes Nachbehandlungssystem im Abgasstrang zur Grenzwerteinhaltung reduziert werden muss. Bei sehr strengen Abgasgrenzwerten sind Nachbehandlungssysteme für alle Schadstoffkomponenten erforderlich.

Im Abgas von stöchiometrisch, d. h. mit einem Luft/Kraftstoff-Verhältnis von λ = 1 betriebenen Motoren (die meisten Ottomotoren arbeiten im  λ = 1 Betrieb) lassen sich so genannte „Drei-Wege-Katalysatoren“ zur Schadstoffemissionsminderung einsetzen, die neben unverbrannten Kohlenwasserstoffen (HC) und Kohlenmonoxid (CO) auch Stickoxide (NOx) mit Konvertierungsraten von weit über 90% reduzieren. Bei dieselmotorischen Abgasen ist auf Grund des vorhandenen Restsauerstoffs aus der Verbrennung eines mageren Gemisches (λ > 1) eine Reduzierung der Stickoxide zu molekularem Stickstoff praktisch nicht möglich, da die notwendigen Reduktionsmittel HC und CO in überwiegendem Maße vom vorliegenden Sauerstoff oxidiert werden und somit nicht zur NOx-Reduktion zur Verfügung stehen. Dies macht den Einsatz spezieller Katalysatorsysteme zur Reduzierung der NOx-Emissionen in sauerstoffreichem Abgas von mager betriebenen Motoren notwendig. Diese Problematik trifft jedoch nicht nur auf Dieselmotoren, sondern auch auf Ottomotoren im sogenannten Magerbetrieb mit Luftüberschuss zu.

Partikelreduzierung – Diesel Partikelfilter (DPF)

Die Partikelemissionen können durch den Einsatz von Dieselpartikelfiltern (DPF) zuverlässig reduziert werden. Die technische Herausforderung bei einem DPF-System liegt nicht im Filtrationsprozess selbst, d.h. im Abscheiden der Partikel aus dem Abgas, sondern in der Regeneration des beladenen Filters durch Oxidation des angesammelten Rußes. Die Regeneration des Filters erfolgt durch das Abbrennen des Rußes entweder durch sehr reaktive Abgaskomponenten wie NO2 (Bereitstellung über Oxidationskatalysator stromaufwärts) oder bei ausreichend hohen Temperaturen mit Sauerstoff. Die zur Zündung des Rußes notwendige Temperatur liegt fast im gesamten Kennfeldbereich des Dieselmotors mehr oder weniger weit über der vorhandenen Abgastemperatur, sodass zusätzliche Maßnahmen zur Temperaturerhöhung ergriffen werden müssen. Dies kann sich nachteilig auf den Kraftstoffverbrauch auswirken.

 

Abb. Wall-Flow-Filtermonolith als DPF (Quelle: Daimler Exhaust Aftertreatment)

Stickoxidreduzierung – LNT und SCR

Zur Stickoxidminimierung kommen DeNOx-Systeme wie z. B. NOx-Speicherkatalysatoren oder Systeme mit zusätzlichem Reduktionsmittel zum Einsatz. Der im dieselmotorischen Abgas immer vorhandene Restsauerstoff (λ > 1) verhindert die Anwendung konventioneller Drei-Wege-Katalysatoren zur effektiven Stickoxidreduktion. Im Kfz-Bereich kommen neben NOx-Speicherkatalysatoren (LNT = Lean NOx Trap) auch sogenannte SCR-Systeme („Selective Catalytic Reduction“) zum Einsatz, welche auf Ammoniak (NH3) aus einer wässrigen Harnstofflösung („AdBlue“) als Reduktionsmittel zurückgreifen. Im Gegensatz zu einem Speicherkatalysator, der über motorseitige Maßnahmen regelmäßig regeneriert wird, muss bei einem SCR-System ein zusätzlicher Betriebsstoff mitgeführt werden sowie die notwendigen Bauteile zur gezielten Einbringung in den Abgasstrang vorhanden sein. „AdBlue“ ist der Handelsname für die wässriger Harnstofflösung als Ammoniaklieferant. Die erhältliche Mischung enthält circa 32,5% Harnstoff in Wasser, welche in ausreichender Menge in einem zusätzlichen Tank mitgeführt werden muss.

Systemaufbau SCR-System
Abb. Systemaufbau SCR-System (Quelle: Daimler AG)

Die Aufbereitung des „Adblue“ zu Ammoniak im Abgastrakt ist eine Herausforderung für die Technik. Chemische Umwandlungen (Thermolyse und Hydrolyse) führen zu dieser Reaktion. Hierfür sind Abgastemperaturen oberhalb von circa 180°C notwendig. Mit Hilfe des Ammoniaks NH3 werden die Stickoxide unter Bildung von Wasser zu harmlosem Stickstoff N2 reduziert. Bei Nutzfahrzeugen ist diese Technik schon lange erfolgreich etabliert.

 Chemische Abläufe zur Bildung von Ammoniak im SCR System
 Chemische Abläufe zur Bildung von Ammoniak im SCR System (Quelle: Birkhold)

Wieso kann man einen besseren Diesel-Kraftstoffverbrauch gegen erhöhte NOx-Emissionen bei Fahrzeugen mit NOx-Speicherkatalysator „eintauschen“?

Neben der Behandlung mittels SCR – Katalysators besteht eine weitere Möglichkeit zur Reduzierung der Stickoxidemissionen bei sauerstoffhaltigen Abgasen im Einsatz so genannter NOx-Speicherkatalysatoren (auch NOx-Adsorber genannt).Diese können bei Ottomotoren mit Direkteinspritzung und Magerbetrieb sowie bei Dieselmotoren verwendet werden. NOx-Speicherkatalysatoren beruhen auf einem Speicher-Reduktions-Verfahren, d. h. sie werden intermittierend als Speicher- oder Reduktionskatalysator betrieben, und enthalten neben Edelmetallkomponenten zur Realisierung der „Drei-Wege-Katalysator“-Funktion auch eine basische Speicherkomponente, meist Bariumoxid (BaO).

Im Magerbetrieb werden die Stickoxide in Form von Nitrat-(NO3)-Verbindungen im Katalysator eingespeichert. Sind alle BaO-Speicherplätze belegt, muss der Katalysator regeneriert („entleert“) werden. Dies geschieht durch kurzzeitigen Fettbetrieb (λ < 1) des Motors, wodurch die Stickoxidverbindungen aus dem Speichermaterial gelöst und mittels der nun vorhandenen Abgaskomponenten HC und CO zu N2 und H2O reduziert werden. In Abhängigkeit der Speicherkapazität des Katalysators (Größe des Katalysators) und der NOx-Emissionen im jeweiligen Motorbetriebspunkt (Fahrzustand) sind mehr oder weniger Regenerationsvorgänge über der Zeit nötig. Diese haben einen mehr oder weniger großen Mehrverbrauch an Kraftstoff in der Größenordnung von typischerweise 1 - 5 % zur Folge. Werden höhere NOx-Emissionen nach dem NOx-Speicherkatalysator toleriert, kann dieser Mehrverbrauch durch weniger Regenerationen eingespart werden.

Wieso kann man einen geringeren „Adblue“-Verbrauch gegen erhöhte NOx Emissionen bei Fahrzeugen mit SCR-Technologie „eintauschen“?

Die schon lange im stationären Energieanlagenbau (Kraftwerke) eingesetzte und bewährte Technik der selektiven katalytischen Reduktion („Selective Catalytic Reduction“ (SCR)) findet in immer stärkerem Maß auch Einzug in mobilen Anwendungen. Bereits seit 2004 wird die SCR Technologie im Nutzfahrzeugmarkt in Europa erfolgreich eingesetzt. Wie obenstehend erläutert wurde, werden die im Abgas vorliegenden Stickoxide durch das gebildete Ammoniak mit Hilfe eines geeigneten Katalysators reduziert. Hauptsächlich im Nutzfahrzeugbereich, aber auch in der Pkw-Anwendung, bietet die SCR-Technologie ein großes Potenzial zur effektiven Stickoxidminimierung unter Beibehaltung guter motorischer Wirkungsgrade (Motorbetrieb unabhängig von Abgasnachbehandlung) und Kosten-Nutzen-Rechnungen. Ammoniak, das aus „Adblue“ gebildet wird, ist hier typischerweise das benötigte Reduktionsmittel. Mit einer erhöhten Dosierung von AdBlue kann typischerweise die Stickoxidreduzierung weiter verbessert werden. Jedoch bewegt man sich im Zielkonflikt aus Stickoxidreduzierung, Bildung von Ablagerungen, Ammoniakdurchbruch (NH3 Emission) und Fahrzeugreichweite. Bei einer konstanten Adblue-Tankgröße reduziert sich die maximale Fahrstrecke mit einer erhöhten Dosierung von Adblue. Bei einer niedrigeren Dosierung von Adblue folgt eine geringere Reduktionsrate der NOx, was sich in erhöhten NOx-Emissionen niederschlägt.

Was ist der Unterschied zwischen der amerikanischen und der europäischen Gesetzgebung?

Entwicklung der Emissionsgesetzgebung innerhalb der EU (Quelle: dieselnet.com)
Tier 2 BIN-Grenzwerte 1-11 (Quelle: dieselnet.com)

Die amerikanische Gesetzgebung TIER 2 sieht keine Unterteilung nach dem Kraftstofftyp, sondern vielmehr eine Unterteilung nach der Schadstoffklasse vor. Somit kann ein Hersteller ein Kraftfahrzeug in unterschiedlichen Emissionsklassen (so genannten „BINs“), beginnend bei BIN1 (keine Emissionen) bis BIN11 (maximal zulässiger Emissionsausstoß), nach TIER 2 zertifizieren lassen. Jedoch ist hierbei zu berücksichtigen, dass innerhalb der TIER 2 – Richtlinie der Flottenausstoß von NOx auf 0.07 g/mi beschränkt ist. Hieraus ergibt sich, dass ein Fahrzeug mit TIER2 BIN5 hinsichtlich der Stickoxide genau dem Flottenlimit entspricht. Im Gegensatz zur europäischen Richtlinie EURO 6 wird die Partikelanzahl derzeit nicht limitiert. Sehr wohl ist aber die Partikelmasse limitiert. Neben den genannten Aspekten differenziert das Regelwerk zwischen der Nutzart, Gewichtsklasse und gibt verschiedene Details, wie z.B. die Kraftstoffqualität vor.

Im Gegensatz hierzu muss nach der europäischen Richtlinie jedes Kraftfahrzeug die für den jeweiligen Kraftstofftypen gültigen Emissionsgrenzwerte einhalten.

Ein Vergleich der unterschiedlichen Abgasgesetzgebungen erfordert nicht nur eine Betrachtung der festgelegten Grenzwerte (TIER 2, EURO 6) (siehe Abbildungen links), sondern auch ein Abgleich der unterschiedlichen Testprozeduren bzw. Fahrzyklen (FTP-75, NEFZ) (siehe Abbildungen unten).

Die vorgegebenen Emissionsgrenzwerte müssen bei festgelegten Rahmenbedingungen in einem definierten Testzyklus eingehalten werden. Dabei wird das Fahrzeug auf einem Rollenprüfstand betrieben und die relevanten Abgasproben nach der CVS-Methode (Constant Volume Sampling) gesammelt und anschließend auf die einzelnen Emissionsbestandteile analysiert.

In den Abbildungen unten sind die jeweiligen Geschwindigkeitsprofile der einzelnen Testzyklen über der Zeit aufgetragen. Hierbei unterscheiden sich nicht nur die Geschwindigkeits- und Lastprofile, sondern auch die Distanz und Dauer.

Die Katalysereaktionen nachgeschalteter Abgasnachbehandlungssysteme werden erst nach Überschreiten einer gewissen Temperaturschwelle (Light-Off) eingeleitet. Dies hat zur Folge, dass während der kalten Testphase die Konvertierungsrate erst schrittweise ansteigt und somit zu Beginn ein erhöhter Emissionsausstoß registriert wird. Ein Hauptmerkmal des FTP-75 ist die so genannte „Soak-Time“. Hierbei handelt es sich um eine 10-minütige Stillstandphase des Motors, welche zur Abkühlung des AGN-Systems beiträgt. Somit werden nicht nur hohe Anforderungen an die Aufwärmphase während des Kaltstarts, sondern auch an die Wärmespeicherung des Abgasnachbehandlungssystems gestellt.

Zudem werden beim FTP-75 die über den einzelnen Phasen ermittelten Emissionen eine Wichtung  mit folgenden Faktoren unterzogen:

  • 0.43 x Kaltphase
  • 1.0 x stabilisierte Phase
  • 0.57 x Warmphase

 
Neuer Europäischer Fahrzyklus NEFZ (Quelle: Handbuch Kraftfahrzeugtechnik)

 
Federal Test Procedure  FTP-75 (Quelle: Handbuch Kraftfahrzeugtechnik)

(Quelle: CFR, 2012. US Code of Federal Regulations, Title 40, Part 86, Appendix I, Revised as of July 1, 2012, 543-610, http://www.gpo.gov/fdsys/pkg/CFR-2012-title40-vol20/pdf/CFR-2012-title40-vol20.pdf)

Was ist nun bei den aktuellen Ergebnissen vorgefallen, was sind die Konsequenzen?

Der „International Council on Clean Transportation (ICCT)“ führte zusammen mit der West Virginia University Emissionsmessungen an drei Fahrzeugen (A-C) durch. Hierbei handelte es sich um folgende Fahrzeuge:

  1. VW Jetta, TIER2 BIN5 mit NOx-Speicherkat
  2. VW Passat, TIER2 BIN5 mit SCR-Kat
  3. BMW X5, Tier2 BIN5  mit SCR-Kat

Im Rahmen der Messungen zeigte sich, dass alle drei Fahrzeuge auf einer Fahrzeugrolle im Zertifizierungszyklus FTP75 konform mit den Emissionsgrenzwerten funktionierten. In verschiedenen realen Fahrzuständen (Autobahn, städtisch, …) wurden vor allem bei Fahrzeug A ein erhöhtes Stickoxidniveau beobachtet. Dies könnte bei einem Fahrzeug mit NOx-Speicherkat dadurch erklärt werden, dass durch die selteneren Wiederholungen der notwendigen Regeneration des NOx-Speicherkatalysators Kraftstoffverbrauchsvorteile entstehen. Diese sind für den Kunden unmittelbar offensichtlich. Durch die fehlende Regeneration ist jedoch die Stickoxidkonvertierung verschlechtert. Bei dieser Regeneration des NOx-Speicherkatalysators muss typischerweise mit einem Kraftstoffüberschuss operiert werden. Hierdurch entsteht ein Mehrverbrauch bei gleichzeitiger Regeneration des NSK. Ferner ist die Regeneration des NOx-Speicherkats komplex und mit größerem Aufwand verbunden.

Der Gesetzgeber erlaubt eine solche Erkennung des Betriebszustandes (Realbetrieb versus Rollenbetrieb) und eine Anpassung der Betriebsstrategie nicht ohne Genehmigung.

Das Fahrzeug B mit einem SCR-Katalysator operiert im Realbetrieb bereits deutlich besser. Trotzdem sind die Stickoxidemissionen erhöht. Es liegt hier die Vermutung nahe, dass eine Reichweitenverlängerung bis zum Nachfüllen des Adbluetanks erreicht wurde, indem die Adblue Harnstoffdosiermenge zur Reduzierung der Stickoxide etwas zurückgenommen wurde. Alle anderen Emissionen sind hier nicht betroffen.
Die NOx-Emissionen im Realbetrieb des Fahrzeuges B bewegen sich in der Größenordnung eines EURO3 oder EURO4 Fahrzeuges in Europa.

Das Fahrzeug C verhielt sich im Test sehr gut. Der Anstieg der Stickoxidemissionen bei der Route 3 ist durch die sehr anspruchsvolle Streckenführung zu erklären. Insgesamt ist dieses Fahrzeug sehr positiv hinsichtlich der Stickoxidemissionen getestet worden.


Abgasmessungen der drei Fahrzeuge (Quelle: ICCT )

Sind die Auswirkungen klimaschädlich?

Im Zusammenhang mit der Thematik „Erderwärmung“ oder „Klimaschädlichkeit“, werden in erster Linie die CO2-Emissionen gebracht. CO2-Emissionen entstehen durch die Verbrennung des Kohlenstoffanteils im Kraftstoff. Aus einem Liter Dieselkraftstoff entstehen circa 2,6 kg CO2-Emissionen.

Wie bereits obenstehend diskutiert wurde, sind jedoch bei der aktuellen Thematik ausschließlich die Stickoxide nachteilig betroffen!

Die hier diskutierten Stickoxidemissionen stehen jedoch in keinem Zusammenhang mit der „Erderwärmung“.

Es ist vielmehr so, dass durch die im Realbetrieb verwendeten Maßnahmen beim Fahrzeug A eine Verbrauchsverbesserung und somit tendenziell sogar eine kleine Reduzierung der CO2-Emissionen die Folge waren. Relevante Änderungen der anderen vermeidbaren Emissionen außer NOx sind nicht ersichtlich. Tendenziell ist hier sogar eher mit einer Reduzierung beispielsweise der Partikelemissionen zu rechnen. Gleichwohl sind diese durch den Einsatz des Partikelfilters (auch für die amerikanischen TIER2 BIN5 Grenzwerte) auf einem sehr niedrigen Niveau und unkritisch. Ebenfalls sind die CO und HC Emissionen nicht kritisch.

Prinzipiell ist der Dieselmotor eine hervorragende Technologie zur Darstellung von niedrigen CO2-Emissionen, beispielsweise für PKW und NFZ  Anwendungen bei gleichzeitig sehr geringen sonstigen Emissionen (Partikel, CO, HC).

Sind alle Dieselmotorenhersteller in den USA betroffen?

Nein, aktuell gibt es ausschließlich einen Hinweis, dass der Vierzylindermotor von Volkswagen (verbaut in verschiedenen Fahrzeugen und Varianten) im Realbetrieb signifikant erhöhte Stickoxidmesswerte zeigt. Diese sind natürlich nicht akzeptabel. Es sind keine weiteren Auffälligkeiten publiziert. Ebenfalls ist der V6-Dieselmotor von Audi in der Diskussion, da er ebenfalls erhöhte Stickoxidemissionen, die nicht publiziert sind, in den USA aufzeigt.

ICCT lässt sich für die Versuche keine Fahrzeuge vom Hersteller geben, sondern nutzt frei auf dem Markt verfügbare Fahrzeuge. Laut ICCT ist diese Maßnahme zielführend, um sicherzustellen, dass keine Veränderungen an den getesteten Fahrzeugen durchgeführt wurden.

Der im Rahmen der oben aufgeführten Tests ebenfalls getestete BMW X5 mit Sechszylinder-Dieselmotor verhielt sich absolut unauffällig und korrekt.

Aus dem Haus Mercedes-Benz wurde laut ICCT kein Fahrzeug getestet, da zu diesem Zeitpunkt kein geeignetes Fahrzeug auf dem Markt zur Verfügung stand und somit nicht organisiert werden konnte.

Als dritter Hersteller für den amerikanischen Markt sind die Dieselmotoren von Audi ins Feld zu führen. Audi entwickelt eigene V6- und V8-Dieselmotoren für den gesamten Konzern. Die Vierzylindermotoren in den Audi-Fahrzeugen entstammen aus der Entwicklung von Volkswagen.

Aktuell wird die Softwarestruktur des 3.0l V6 von Audi intensiv diskutiert. Gegenstand der Diskussion ist zum einen die amerikanische Ausführung. Es hat aber den Anschein, dass die diskutierten Softwarefunktionen des 3.0l Audi deutlich weniger bedeutsame Auswirkungen auf das Emissionsverhalten ausüben, als dies bei den Volkswagenmotoren in den USA der Fall ist. Ebenfalls ist die Motorausführung in Europa in der Diskussion. Hier wurden EURO5 Varianten mit erhöhten Stickoxidemissionen beobachtet. EURO6 Ausführungen des V6 Dieselmotors weisen in verschiedenen Konzernfahrzeugen (VW Touareg, Audi A6) niedrige Stickoxidemissionen zwischen 30 und 250 mg/km auf. Insgesamt zeigen vor allem Volkswagen- und Audimodelle für die Emissionsstufe 6 geringe Stickoxidemissionen.

Sind ausschließlich die Dieselmotoren für Stickoxidemissionen verantwortlich?

Die Reduzierung der Emissionen des Dieselmotors ist technisch anspruchsvoller als beim Ottomotor, der typischerweise mit einem Drei-Wege-Katalysator funktioniert. Aus diesem Grund ist der Beitrag der Stickoxidemissionen des Dieselmotors größer als der Beitrag der Ottomotoren. Dies drückt sich auch im Grenzwert für EURO 6 aus (Ottomotor: 60mg/km, Dieselmotor: 80mg/km).

 
 Quellen der Stickoxidemissionen, Quelle (Umweltbundesamt 2013)
Auch ist der integrale Beitrag des Verkehrs zu den Stickoxiden wichtig. Gleichzeitig ist der bedeutende Beitrag anderer Verursacher in der obenstehenden Abbildung aufgetragen. Neben dem Verkehr sind vor allem die Energiewirtschaft (Stromerzeugung), die Landwirtschaft, die Industrie und sonstige Feuerungsanlagen Verursacher der Stickoxide.

Wie reagieren die Behörden in Europa und liegt hier ein nicht Gesetzkonformes Verhalten der Hersteller vor?

In Europa ist noch immer der Prüfzyklus NEFZ bindend für die Zertifizierung eines Fahrzeugs. Die Einführung eines realitätsnahen neuen WLTP-Zyklus ist daher zielführend und wird aktuell vorbereitet. Der ursprüngliche Gedanke der erstmaligen Vereinheitlichung eines Prüfzyklus, der Anfang der 1990er Jahre zum NEFZ unter Berücksichtigung von allen (auch ungenügend motorisierten) Fahrzeugen führte, ist nicht mehr entscheidend. Vielmehr ist heute die Abbildung eines realistischeren Fahrprofils notwendig und daher geplant.

Aufwändige Messungen des LUBW zeigen, dass aktuelle EURO6 Dieselfahrzeuge mit Stickoxidabgasnachbehandlung im realen Fahrbetrieb typischerweise zwischen 100 bis 400 mg/km ausstoßen. Auch ein getesteter Volkswagen Passat EURO6 verhält sich unauffällig, auf einem niedrigeren Niveau als EURO5 Fahrzeuge. Es gibt Ausreißer bei allen Fahrzeugen bei Fahrzuständen vor allem bei niedrigen Fahrzeuggeschwindigkeiten. Hier können Stickoxidemissionen deutlich größer 400 mg/km beobachtet werden. Ursache hierfür ist die zu niedrige Temperatur der Abgasnachbehandlung. Eine weitere Verbesserung muß hier mittelfristig erzielt werden.

 
 Messungen durch Landesumweltamt Baden-Württemberg (Quelle: LUBW)

Auch das ICCT bestätigt, dass sich die Stickoxidemissionen der Dieselfahrzeuge im Vergleich zur  EURO3 bis zur EURO6 Emissionsstufe um mindestens 40 Prozent reduziert haben.

Prinzipiell ist die Verfügbarkeit einer Rollentesterkennung für die Motor- und Fahrzeugsteuerung unabdingbar, um beispielsweise im Entwicklungsprozess definierte Prüfstandrollentests wie beispielsweise Versuche, die auf der Straße nicht realisierbar sind, ohne unerwünschte Nebenbedingungen durchführen zu können. Es sind in diesem Gesamtzusammenhang keine Werte publiziert worden, dass sich die Fahrzeuge von Volkswagen in ihrem Emissionsverhalten von anderen Herstellern auf dem europäischen Markt unterscheiden. Veröffentlichte EURO6 Ergebnisse zeigen, wie beispielsweise obenstehend für einen VW Passat EURO6 aufgeführt, keine Auffälligkeiten. Trotzdem wird aktuell der regelkonforme Einsatz der Software in Europa überprüft und diskutiert.

Insgesamt ist natürlich der Unterschied zwischen der Fahrzeugzertifizierung in einem Testzyklus (aktuell in Europa: NEFZ) und dem Realbetrieb ein sehr wichtiger Gegenstand der aktuellen Diskussion.

Es  muss betont werden, dass über die letzten 20 Jahre eine klare Reduzierung der Stickoxidemissionen erreicht worden ist. Gleichzeitig reicht dies vor dem Hintergrund eines hohen Dieselanteils und einer zunehmenden Verkehrsdichte nicht aus.

Vor dem Hintergrund der zudem eingeschränkt übertragbaren Gültigkeit des NEFZ auf den Realbetrieb ist dem Gesetzgeber und den Herstellern sowie der Zulieferindustrie klar, dass so genannte RDE (real driving emissions) Vorschriften eingeführt werden müssen. Hier laufen seit längerem konstruktive Gespräche, um eine anspruchsvolle Stickoxidreduzierung im Realbetrieb zu erreichen.

Bei diesen Gesprächen wird bislang ein vernünftiger, aber auch strenger Kompromiss aus technischer Machbarkeit und Umweltnutzen unter Berücksichtigung des realen Einsatzprofiles von Fahrzeugen erarbeitet. Die Befürchtung ist, dass sich durch die aktuelle Diskussion die Balance zu sehr verschiebt. Es hat sich bewährt, dass sich die Emissionsgrenzwerte kontinuierlich über die Jahre schrittweise  reduziert haben. So wurde dem zunehmenden technischen Fortschritt (Sensorik, Regelungstechnik, Katalysatormaterial, …) Rechnung getragen. Die weiterführende Gesetzgebung EURO6b und EURO6c sieht einen solchen Ansatz vor.

Die Einführung solcher RDE-Vorschriften ist auf jeden Fall wünschenswert und zielführend. Die Hersteller und Zulieferer arbeiten hier schon lange mit den Behörden und den gesetzvorbereitenden Einheiten zusammen, um das Einführungsszenario von RDE in zwei Stufen (2017/2020) zu ermöglichen.

Übrigens sind die Nutzfahrzeuganwendungen hier bereits seit längerem einen Schritt weiter. Auch der  ICCT bestätigt das vorbildliche Emissionsverhalten von Nutzfahrzeugen. Hier verdienen sich insbesondere die deutschen Hersteller Lob und Anerkennung.

Wichtige Voraussetzung für die Einführung von RDE Grenzwerten ist übrigens die Reife der hierfür benötigten Messtechnik. Erst durch die Entwicklung einer geeigneten mobilen PEMS (portable emission measurement system) Technik können die Emissionen im Fahrbetrieb überprüft werden.

 PEMS Messtechnik an einem Fahrzeug
 PEMS Messtechnik an einem Fahrzeug (Quelle: TÜV NORD)

Wie entwickelt sich prinzipiell die Luftqualität?

Die Luftqualität wird durch mehrere als Schadstoffe identifizierte Gase und Stäube beeinträchtigt. Diese können durch natürliche Geschehnisse der Metrologie oder durch menschliches Handeln entstehen [LUBW, 2013]. Im Verkehr werden vor allem folgende Schadstoffe emittiert:

  • Stickoxide (NO, NO2)
  • Staub (Ruß, Partikel)
  • Kohlenmonoxid (CO)
  • Schwefeldioxid
  • Flüchtige organische Verbindungen (HC)

Die Bewertung der Luftqualität wird erst durch die Auswertungen von zahlreichen Messstellen an unterschiedlichen Aufstellorten möglich. So betreibt die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg allein ein Messnetz mit mehr als 34 Messstationen. Zu unterscheiden sind vor allem Messstationen mit städtischem Hintergrund (dichte Bebauung, keine direkte Verkehrsnähe) und Verkehrsmessstellen.

 
 Entwicklung der Immissionsbelastung von Stickstoffdioxid seit 1990 in BaWü [LUBW, 2013]

Am Beispiel der Abbildung gemessener Stickstoffdioxid-Messwerte an unterschiedlichen Messstellen lässt sich erkennen, dass seit 1990 die Schadstoffbelastung im städtischen Hintergrund rückläufig ist. Dies lässt auf eine Verbesserung der Luftqualität im städtischen Umfeld schließen. Gleichzeitig zeigt die Abbildung, dass an einzelnen Verkehrsmessstellen in der Stadt die Jahresmittelwerte für Stickoxide nicht eingehalten werden. Es gibt daher Bestrebungen von Politik und Industrie, die Emissionen dieses Schadstoffs im realen Betrieb weiter zu senken.

Bei der Messung von Stäuben wird unterschieden nach deren Partikelgröße. Dadurch lassen sich diese gewissen Entstehungsquellen zu ordnen. Die Messung der primär verkehrsbedingten Partikelemissionen zeigt im Zeitraum 1999-2013 einen rückläufigen Trend für alle Messstationen [LUBW, 2013]. Hier ist eine deutliche Verbesserung erreicht worden.

Ebenfalls ist eine Verbesserung der Ozonbelastung zu beobachten. Es verbleibt die Herausforderung der Stickoxidimmission. Eine Einführung von EURO6 Fahrzeugen und eine weitere Reduzierung der Stickoxidemissionen im Realbetrieb wird hier eine kontinuierliche Verbesserung zur Folge haben.
Insgesamt kann am Beispiel der oben aufgeführten Schadstoffsituation gezeigt werden, dass u.a. durch Optimierung der Antriebskonzepte von Kraftfahrzeugen die Schadstoffkonzentration in der Luft  gesenkt werden konnte. Dies beeinflusst die Luftqualität positiv.

Was ist die Rolle der beteiligten Organisationen, beispielsweise EPA und der ICCT?

Analog der EU Kommission in Europa ist in den USA die EPA (environmental protection agency) zuständig für die Definition der Grenzwerte der Emissionen von Verbrennungsmotoren. Diese Regierungsbehörde hat zusätzlich auch polizeiliche Gewalt und kann gegen Verletzungen dieser Grenzwerte vorgehen (Clean Air Act http://www.epw.senate.gov/envlaws/cleanair.pdf). EPA Grenzwerte gelten in allen Bundesstaaten der USA und werden bezogen auf den sogn. FTP75 (Federal Test Procedure) Testzyklus, der im Gegensatz zum europäischen Testzyklus NEFZ höher Lastanteile enthält. Einige der Bundesstaaten fordern gegenüber diesen Grenzen schärfere  Emissions- und Verbrauchsgrenzwerte. So orientieren sich 14  Bundesstaaten an den strengeren Vorgaben der Kalifornischen Umweltschutzbehörde CARB (California Air Resources Board) und haben diese in lokale Gesetzesvorgaben umgesetzt.

Aktuell im Vordergrund der Diskussion stehen die TIER2 BIN5 Grenzwerte für PKW-Anwendungen. Die Grenzwerte der Stufe Tier2 wurden beginnend 2004 eingeführt und sollen 2017 durch die Stufe Tier 3 ersetzt werden. Die Stufe Tier 2 ist gegliedert in 8 permanente und drei temporäre Niveaus, als BIN bezeichnet. Über diese Niveaus mit steigenden Anforderungen soll ein längeres Phase-In realisiert werden, während die Flottenwerte überwacht werden. Die Grenzwerte sind von den Fahrzeugen für max. 120.000 Meilen oder max. 10 Jahre Betrieb einzuhalten, was besondere Anforderungen an das Laufzeitverhalten der Fahrzeuge und Komponenten stellt.

Die EPA hat eine so kontinuierliche Verschärfung der Stickoxidemissionen im Verlauf der letzten circa zwanzig Jahre bewirkt und so auch den Schwefelanteil im Kraftstoff reduziert, um Abgasnachbehandlungssysteme zu ermöglichen. Gleichzeitig ist immer wieder bei der Gesetzgebung der EPA zu beobachten, dass teilweise Regelungen getroffen werden, die insbesondere der amerikanischen Wirtschaft zu Vorteil gereichen (siehe untenstehende Ausführung).

Die Einführung erfolgt nach einem definierten Zeitplan:

 Quelle: http://www3.epa.gov/otaq/standards/light-duty/tier2stds.htm

Über die Unterscheidung der Fahrzeugtypen werden Fahrzeuge der Klasse HLD und MDPV weniger restriktiv behandelt. So ist der Flottenverbrauch für Pick-Up Trucks deutlich weniger reglementiert als derjenige für Personenfahrzeuge.

Das  Gesamtsystem erlaubt die Betrachtung des Flottenverhaltens und auch die Möglichkeit, durch  Gesetzesübererfüllung in einem Bereich die Emissionsvorschriften an anderer Stelle zu verletzen. Die Methoden des emission trading, emission averaging und banking  of credits erlauben es, dass Hersteller innerhalb ihrer Flotte und über einen längeren Zeitraum hinweg Emissionsguthaben auf- und zum für sie geeigneten Zeitpunkt abbauen können. Weil amerikanische Hersteller auf dem Heimatmarkt mit größeren Stückzahlen agieren als beispielsweise europäische Hersteller und so Emissionsscheine gezielt einsetzen konnten, werden teilweise merkwürdige Situationen geschaffen. Beispielsweise wurde hier in der Vergangenheit ein 44 Tonnen LKW identisch behandelt mit einem 3 Tonnen Pickup (http://www3.epa.gov/otaq/standards/weights.htm). Dies führte zu fragwürdigen Maßnahmen bei amerikanischen Herstellern.

Als beispielsweise der Hersteller Navistar International für die EPA´10 Emissionsnorm eine Technologie ohne SCR Abgasnachbehandlung einsetzte, konnte er den strengen Grenzwert aufgrund einer veränderten Marktentwicklung (nicht ausreichend Emissionsgutscheine wegen eines nicht anziehendem Marktes) nicht mehr einhalten. Die hierfür  vorgesehene Strafe war aber anfangs geringer als die Einbaukosten, die z.B. auch die europäischen Hersteller Volvo und Daimler für ein SCR System aufzubringen hatten.

Die Notwendigkeit einer strengen Umweltgesetzgebung ist natürlich gegeben, jedoch darf hier die Nichtausgewogenheit zu Recht kritisiert werden. Dass das Handeln einer Regierungsbehörde ausschließlich durch Umweltschutzfragestellungen getrieben ist, darf in Frage gestellt werden.

In der Öffentlichkeit treten neben den staatlichen Organisationen auch weitere Interessengruppen (NPO’s Non-profit organization) für Umweltschutzvorschriften ein wie der ICCT. Der ICCT wurde gegründet von mehreren anderen NPO’s (http://www.theicct.org/about-icct, http://www.manager-magazin.de/fotostrecke/abgas-oragnisation-icct-wer-dahinter-steckt-fotostrecke-130359.html) wie der William and Flora Hewlett Foundation, der David and Lucile Packard Foundation (Stiftungen der Erben der Firmengründer von Hewlett-Packard) der ClimateWorks Foundation (unterstützt von div. Stiftungen, die u.a. Investment-Bankern und Hedgefonds-Managern gehören) und der sogn. The Energy Foundation, die von weiteren NPO’s gegründet wurde und sich eigentlich auf amerikanische und chinesische Förderprojekte beschränkt. Auf der einen Seite wird Öffentlichkeitsarbeit betrieben und Studien publiziert werden (http://www.theicct.org/info/assets/RoadmapV1/ComparativeAnalysis2013.pdf), während auf der anderen Seite die Finanzgeber der NPO’s über ihre finanzielle Unterstützung und Aktivität in den Boards Einfluss auf deren Vorgehensweise nehmen.